Recht des Silvesterkrachers: Dürfen Polizisten Passanten am 28.12. nach Feuerwerkskörpern durchsuchen?

Zumindest muss gerade von dem Durchsuchten eine unmittelbar bevorstehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit drohen. Oberlandesgericht (OLG) Darmstadt, Urt. v. 28.09.1950 – Ss 50/50, NJW 1951, 165

 

Einleitung: Verkauf von Feuerwerkskörper

 

Der Verkauf von Feuerwerkskörper der Kategorie 2 an Privatpersonen ist nach § 23 der 1. SprengV (vom 31.01.1991 – BGBl. I S. 169) nur an den letzten drei Werktagen des Jahres erlaubt, in der Regel vom 29. bis 31. Dezember. Fällt der 29. Dezember auf einen Freitag, Samstag oder Sonntag, ist der Verkauf bereits ab dem 28. Dezember gestattet. Dennoch hört man nicht erst am 29.12., sondern bereits nach Weihnachten zumeist Halbstarke ab der Dämmerung durch die Straßen ziehen und Silvesterknaller abbrennen und ahnungslose Leute damit erschrecken. Werden Feuerwerksknaller in der Nähe häufig frequentierten Straßen gezündet, kann dies zu Unfällen führen. Aber führt diese Gefahr dazu, dass Polizisten Passanten, von denen sie vermuten, dass diese Knaller bei sich führen, einfach so durchsuchen? Hiermit hat sich das Oberlandesgericht Darmstadt bereits kurz nach dem 2. Weltkrieg beschäftigt.

 

Sachverhalt: Öffentliche Sicherheit und Ordnung

 

Die Kriminalassistenten L. und W. befanden sich am 28. 12. 1949 zwischen 18 und 19 Uhr auf einem Streifengang durch die hessische Stadt O., um weisungsgemäß gegen die durch das Überhandnehmen der Unsitte des Abbrennens von Feuerwerkskörpern im Straßenverkehr verursachte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einzuschreiten und um als Täter ermittelte Personen zur Anzeige zu bringen. Sie bemerkten in einer verkehrsreichen Straße, dass auf der anderen Straßenseite aus einer Gruppe von 10-20, meist jugendlichen Personen ein Feuerwerkskörper zur Explosion gebracht wurde. Sie sahen auch, dass die Angeklagten D. und T. in verdächtiger Weise sich von der Gruppe entfernten.

Während W. zu der größeren Gruppe ging, hielt L. die beiden weggehenden Angeklagten D. und T. an. Beide bestritten, den Knallkörper entzündet zu haben. T. zeigte auch einen, von ihm mitgeführten Karton vor, der aber keine Feuerwerksartikel enthielt. L. tastete sodann die Kleider D.s ab und fühlte dabei in dessen Tasche Feuerwerkskörper. Als er diese nun aus der Tasche herausholen wollte, leistete D. Widerstand, forderte ihn auf, von seiner Tasche wegzubleiben und hielt L.s Hände fest. Um diesen Widerstand zu brechen, den D. festzunehmen und zur Polizeiwache zu bringen, rief L. seinen Kollegen W. herbei, und beide nahmen nun den sich heftig sträubenden D. in den Polizeigriff, indem sie dessen Arme nach hinten rissen. Hierbei trat D. um sich und verletzte die Polizeibeamten.

Das Landgericht hat den Angeklagten D. wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt.

 

Kommentierte Entscheidungsgründe: Widerstand gegen die Staatgewalt

 

Ein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) ist nach Absatz 3 nur dann strafbar, wenn die Vollstreckungshandlung rechtmäßig ist, wenngleich nicht verlangt werden kann, dass ein Polizeibeamter vor jeder Tätigkeit erst mit mehreren Rechtskommentaren detailliert die Rechtmäßigkeit der geplanten Tätigkeit prüft. Die Rechtsprechung geht daher von einem strafrechtlichen Rechtmäßigkeitsbegriff aus, (BVerfGE 92, 191 [199 ff.]; BGHSt 4, 161 [163 f.]; BGHSt. 21, 363 [365]). Hiernach ist eine Vollstreckungshandlung dann rechtmäßig, wenn der handelnde Beamte sachlich und örtlich zuständig ist, die wesentlichen (gesetzlichen) Förmlichkeiten, soweit solche vorgeschrieben sind, berücksichtigt werden und er sein ihm ggf. zukommendes Ermessen pflichtgemäß ausübt und bindende Weisungen befolgt (BGHSt 4, 161 [164]).

Hiernach kam es vorliegend zunächst darauf an, auf welche Rechtsgrundlage sie die Durchsuchung der Passanten stützten. Angesichts der Doppelnatur der Tätigkeit eines Polizeibeamten (Strafverfolgung nach der Strafprozessordnung [repressiv] oder Gefahrenabwehrrecht nach dem öffentlichen Polizeirecht [präventiv]) prüfte das Oberlandesgericht zunächst eine Durchsuchung nach §§ 102, 105 StPO wegen des Verdachts einer Straftat. Eine zum damaligen Zeitpunkt noch bestehende Übertretung nach

㤠368 [idF vom 01.09.1935]

Mit Geldstrafe bis zu sechszig Mark oder mit Haft bis zu vierzehn Tagen wird bestraft:

  1. wer in gefährlicher Nähe von Gebäuden oder feuerfangender Sachen mit Feuergewehr schießt oder Feuerwerke abbrennt“

erschien bereits zweifelhaft, da nach dieser Bestimmung im Einzelfall eine konkrete Gefahr für ein Gebäude oder für feuerfangende Sachen eingetreten sein muss, wofür es an Feststellungen fehlte. So bestand lediglich der Tatverdacht nach

㤠360 [idF vom 01.09.1935]

(1) Mit Geldstrafe bis zu einhundertfunfzig Mark oder mit Haft wird bestraft:

  1. wer ungebührlicherweise ruhestörenden Lärm erregt oder wer groben Unfug verübt“

und

㤠368 [idF vom 01.09.1935]

Mit Geldstrafe bis zu sechszig Mark oder mit Haft bis zu vierzehn Tagen wird bestraft:

  1. wer die polizeilich vorgeschriebenen Feuerlöschgerätschaften überhaupt nicht oder nicht in brauchbarem Zustande hält oder andere feuerpolizeiliche Anordnungen nicht befolgt“,

worunter es auch fiel, wenn Feuerwerkskörper an bewohnten oder von Menschen gut besuchten Orten ohne polizeiliche Erlaubnis abgebrannt werden. Hierfür alleine hätte das Auffinden von Feuerwerkskörpern in der Tasche des Angeklagten zu seiner Verhaftung oder zur Feststellung seiner Täterschaft nicht ausgereicht, zumal durch den Erlass des hessischen Innenministeriums, Abteilung III, öffentliche Sicherheit, vom 28.09.1949 auf Grund einer Ermächtigung der amerikanischen Militärregierung und unter Erteilung einer Allgemeinen Ausnahme von der Polizeiverordnung über das Abbrennen von feuerwerkskörpern und ähnlichen Erzeugnissen vom 27.11.1939 (RGBl. I S. 2345) idF vom 10.05.1940 (RGBl. I S. 784) Herstellung, Vertrieb und Verwendung von Feuerwerkskörpern wieder erlaubt waren. Sie durften also zu geeigneter Zeit und an geeignetem Ort auch abgebrannt werden. Wörtlich das Oberlandesgericht: „Selbst wenn D., wie viele junge Leute in der Silvesterzeit, Feuerwerksartikel in seiner Tasche hatte, so hätte hierin kein Indiz dafür gelegen, dass gerade er es war, der soeben einen solchen abgebrannt hatte.“

Es blieb damit einzig eine Durchsuchung zur Gefahrenabwehr. Hierfür rekurrierte das Landgericht noch auf

„Preußisches Allgemeine Landrecht (PALR),

Teil II, 17. Titel

  • 10. Die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung und zur Abwendung der dem Publico, oder einzelnen Mitgliedern desselben, bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der Polizey“,

obwohl dieses bereits durch § 79 Abs. 2 Pr.VG vom 01.06.1931 ausdrücklich aufgehoben wurde und darüber hinaus nur in Preußen galt.

Aber selbst wenn man auf § 129b des Gesetzes betreffend der Städteordnung (StO) vom 8.7.1911 (RegBl. S. 367) abstellte bzw. – heutzutage – auf § 36 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG), welches die Durchsuchung von Personen zur Gefahrenabwehr erlaubt, so fehlt es für eine rechtmäßige Diensthandlung iSd § 113 Abs. 3 StGB jedenfalls an der erforderlichen Verhältnismäßigkeit, wie das Oberlandesgericht es überzeugend darlegte:

„Der Senat stimmt jedoch mit den Rev. darin überein, daß es im vorliegenden Falle zur Beurteilung der Frage der Rechtmäßigkeit der Amtsausübung entscheidend darauf ankommt, ob die von der Polizei getroffenen Maßnahmen im Hinblick auf den von ihr verfolgten Zweck das geeignete Mittel zur Beseitigung der Gefahr darstellten. Die Polizei darf nur die notwendigen Maßnahmen treffen und persönlichen Zwang stets nur als das letzte Mittel gebrauchen, wenn sie nämlich auf keine andere Weise in der Lage ist, zu ihrem Ziele zu kommen (vgl. Jellinek, aaO 338, 428 ff.; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts 1950, S. 229, 230). Die verfassungsmäßig garantierte Unverletzlichkeit und Unantastbarkeit der Freiheit der Person stehen im Mittelpunkt unseres öffentl. Rechts und müssen deshalb auch von der Polizeigewalt gebührend berücksichtigt werden. Es geht nicht an, daß jede Verpflichtung des Einzelnen gegenüber der Allgemeinheit oder der Verwaltung einfach mit Gewalt erzwungen wird. Eine offensichtliche Überschreitung der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck ist rechtswidrig und unter Umständen eine zum Schadensersatz verpflichtende Amtspflichtverletzung im Sinne des § 839 BGB (Forsthoff, aaO S. 230)

In dieser Hinsicht müssen jedoch Bedenken bestehen, ob die Frage der Adäquanz von Mittel und Zweck hier bejaht werden kann.“

Aufgrund dieser Bedenken hob das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil auf.

Fazit: Das Abbrennen von Feuerwerk vor dem 31.12. ist zwar verboten. Die Freiheitsrechte der Bürger stehen jedoch Durchsuchungen auf der Straße nach Feuerwerkskörper grundsätzlich entgegen.

bearbeitet von

PD Dr. iur. habil. Erik Kraatz
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